Über uns / Chronik
Aus der Festschrift zum 150-jährigen Bestehen des Musikverein Wipperfürth e. V. im Jahr 2003
Der Musikverein Wipperfürth 1853 e.V. - im Wandel der Zeit
Es mag ein wenig verwundern, wenn nicht sogar als Widerspruch erscheinen, wenn ein Grußwort vom Jugendleiter und gleichzeitig Chronisten verfasst wird. Der eine schaut ehr in die Zukunft, der andere in der Regel mehr in die Gegenwart und Vergangenheit. Für uns ist es kein Widerspruch. Denn der Musikverein fühlte sich in seiner langen Geschichte stets durch das Sprichwort gemahnt, dass derjenige, der in der Gegenwart die Vergangenheit vergisst, die Zukunft verliert.
Aus der 150-jährigen Geschichte könnte gerade der Chronist „Bände" schreiben. Ich will mich auf einige markante Aspekte beschränken. An erster Stelle nenne ich die Satzungen des Vereins (Vereinsstatuten, gültig vom 01.02.1887 bis 09.01.1930; Vereinssatzungen, gültig vom 09.01.1930 bis 24.8.1978 und vom 24.8.1978 bis heute). Mit Leben gefüllt werden die Satzungsregeln durch die Vereinsmitglieder, die immer mit großem Enthusiasmus und großem Idealismus bei der Sache gewesen sind, insbesondere wenn es um die Ausbildung junger, talentierter und häufig sogar sehr talentierter Leute ging.
Das eigene Wissen wurde immer an den eigenen Nachwuchs weitergegeben. Die Jugendarbeit bekam eine festere Struktur durch das 1963 gegründete Jugendblasorchester (der erste Leiter war Matthias Wagemann) und die Gründung der Musikschule Wipperfürth im Jahre 1977 (Protagonisten Heinz Bröcker und wiederum Matthias Wagemann). Damit komme ich zu einer wichtigen Personengruppe, nämlich die musikalischen Leiter des Vereins. Der Verein hatte das große Glück, immer von sehr guten Dirigenten geleitet zu werden. Sie haben mit großem Engagement und mit musikalischem Durchblick und Geschmack die Individualisten des Vereins zu einem Orchester zusammengefügt. Da sie den Verein wie ihre Westentasche kannten, waren ihre Arrangements für den Verein geradezu maßgeschneidert. Beispielhaft sollen Heinz Bröcker und Franz Willi Neugebauer genannt sein.
Es gab und gibt aber auch Schwierigkeiten und Probleme, mit denen der Verein zu kämpfen hatte und hat. So gab es mehrere große Kriege, die auch die Vereinsmitglieder mehr oder weniger tangierten (1870/71 gegen Frankreich, 1914-1918 Erster Weltkrieg, 1939-1945 Zweiter Weltkrieg) und mit Wirren verbunden waren. Eher lokale Probleme für den Verein waren die Gründung einer Feuerwehrkapelle im Jahre 1896 oder einer SA-Kapelle im Dritten Reich. Der Verein kennt Geldsorgen, und manchmal mangelte es an guten Instrumenten. In den Anfangs- und Nachkriegsjahren standen nicht oder nicht mehr genügend ausgebildete Musiker zur Verfügung. So waren in der damaligen Zeit z. B. das Notenlesen und das Spielen eines Instrumentes Privilegien, die häufig höheren sozialen Schichten vorbehalten blieben. Heutzutage macht ein großer Prozentsatz der jugendlichen Vereinsmitglieder, Jungen und Mädchen, Abitur; danach stehen Bundeswehr, Zivildienst, Studium, Berufsausbildung etc. an und damit tritt der Musikverein in den Hintergrund. Die Zeit als aktives Vereinsmitglied wird kürzer, die Fluktuation steigt an. Früher lag die Verweildauer im Verein nicht selten bei 20 bis 30 Jahren, heute sinkt diese aus den oben genannten Gründen auf 6 bis 10 Jahre. Doch positive Ausnahmen, die dem Orchester trotz hoher zeitlicher Belastung weiterhin regelmäßig zur Verfügung stehen und ihren Heimatverein so gut es geht unterstützen, gibt es Gott sei Dank immer noch. Immer wieder haben sich Schwerpunkte und Interessen im Verein verschoben.
Die soziale Dimension des Vereins wie der gesamten Gesellschaft war früher stärker auf Geselligkeit und Kameradschaft ausgerichtet. Disziplin war stärker ausgeprägt. heutzutage fällt es Kindern und Jugendlichen schwerer, den Willen und die Energie aufzubringen, ein Instrument über Jahre mühevoll zu erlernen und dann auch „dranzubleiben". Die zeitlichen und finanziellen Belastungen sind groß. Hinzu kommt, dass Blasmusik nicht mehr so populär ist wie früher. In Konkurrenz hierzu stehen leicht konsumierbarer und stets perfekter Hörgenuss aus Radio und Fernsehen und auf allen möglichen weiteren Tonträgern. Eine besondere Verbindung besteht zwischen Musikverein und Musikschule. Bedingt durch die Gebietsreform Mitte der siebziger Jahre wurde am 02.12.1976 durch Beschluss der Mitgliederversammlung die Musikschule des Rheinisch- Bergischen Kreises, dem auch Wipperfürth bis dahin angehörte, aufgelöst. Die Stadt Bergisch-Gladbach war aus der Musikschule des Kreises ausgeschieden und hatte eine eigene Musikschule eröffnet. Die Gründung der eigenständigen Musikschule Wipperfürth im Jahre 1977 geht auf die Initiative von Heinz Bröcker zurück, der sie dann auch bis 1992 leitete. Da Heinz Bröcker gleichzeitig dem Musikverein vorstand, war die Zusammenarbeit sehr eng und man profitierte voneinander (der Musikverein stellte Dozenten, der Nachwuchs des Vereins stieg zahlenmäßig durch die Musikschule).
Besorgt müssen wir heute zur Kenntnis nehmen, dass viele Musikschulen, auch die in Wipperfürth, durch die leeren öffentlichen Kassen in ihrem Bestand gefährdet sind. Finanzielle Engpässe der Kommunen dürfen nicht dazu führen, dass das Angebot der Musikschulen eingeschränkt wird oder, dass aufgrund von Gebührenerhöhungen Kinder oder Jugendliche finanzschwächerer Eltern ausgeschlossen werden. Wir appellieren daher an die Kommunen als Träger der Musikschulen, an die Bundesländer wegen ihrer Verantwortung für die Bildung und an die Öffentlichkeit, sich für den Erhalt der Musikschulen auf hohem Niveau einzusetzen. Die Musikschulen sind ein wichtiger kultureller Baustein unserer Gesellschaft und daher unverzichtbar. Die Musikschulen allgemein und die in Wipperfürth im Besonderen bitten wir aber auch, bei steigenden Schülerzahlen und trotz finanzieller Kürzungen die Qualität der Ausbildung im Auge zu behalten.
Der Musikverein fühlt sich selbstverständlich weiter verpflichtet, selbst für genügend eigenen Nachwuchs zu sorgen, diese durch Leistungsträger des Vereins unterrichten zu lassen und damit das hohe musikalische Niveau zu halten. Der Musikverein Wipperfürth besteht aus Menschen, die zusammenkommen, um zu musizieren. Im Verein gab und gibt es gute und hervorragende Musiker und Dirigenten, von denen ich oben bereits einige erwähnte. An dieser Stelle möchte ich allen danken, die zu der Entwicklung des Vereins in guten wie in schlechten Zeiten beigetragen haben. Stellvertretend für die vielen Persönlichkeiten aus der 150-jährigen Geschichte möchte ich Matthias Wagemann noch einmal erwähnen, der im vergangenen Jahr von uns ging. Zum einen nenne ich ihn, weil ich persönlich die meiste Zeit meines Lebens mit ihm musizierte. Zum anderen gab es keinen anderen, der wie Matthias Wagemann fast vier Jahrzehnte lang das Orchester lenkte, leitete und prägte. Er war Vorsitzender, Dirigent, Chorleiter, Notenwart, Jugendleiter und ein hervorragender Musiker. Er unterrichtete und schrieb Stücke. Er war positiv besessen. Nur solchen Idealisten wie Matthias Wagemann haben wir es zu verdanken, dass sich heute das Bestehen des Vereins zum 150-sten Mal jährt. Der Musikverein besitzt in unserer Heimatstadt Wipperfürth einen hohen Stellenwert. Unbescheiden könnten wir uns sicher einen noch höheren vorstellen, wenn wir uns z. B. daran erinnern, dass das 125-jährige Jubiläum 1978 sogar im Hauptausschuss der Stadt geplant wurde oder der langjährige Bürgermeister Leonhardt (er amtierte von 1851 bis 1903!) selbst die Pauke geschlagen hat und damit den Verein aufwertete.
Nun, die Zeiten und die Talente der Bürgermeister ändern sich. Was bleibt ist der Nutzen des Vereins für die Gesellschaft und seine Mitglieder selbst, Teamfähigkeit und Ausdauer sind Eigenschaften, die in der heutigen Gesellschaft mehr denn je gefragt sind und eine ganzheitliche Bildung ist ohne das musikalische Element nicht denkbar. Wir beachten in der Gegenwart also die Vergangenheit und sind so zuversichtlich, dass der Verein auch die Zukunft gewinnt und sein 175-jähriges oder gar 200-jähriges Jubiläum feiern wird. Bis dahin empfehlen wir uns für die Gestaltung kultureller, repräsentativer Veranstaltungen, von Festveranstaltungen, Konzerten, Eröffnungen, Jubiläen, Ehrungen, Unterhaltungsabenden, Platzkonzerten, Kurkonzerten, Karnevalszügen, Prozessionen, Schützenfesten etc. In unterschiedlichen Besetzungen decken wir alle Eventualitäten ab, vom großen Orchester mit ca. 45 Damen und Herren, kleinen Besetzungen (10 bis 12 Musiker) über Quintett und Quartett bis hin zu Solisten. Eine moderne Tanzbesetzung stellen wir natürlich bei Bedarf auch. Das reichhaltige Programm des Orchesters ermöglicht Darbietungen in originaler Blasmusik, von Blasmusikbearbeitungen, volkstümlicher Blasmusik, moderner Blasmusik und Werken mit Soloinstrumenten.
Markus Dörpinghaus / 2003